Jobrotation und Hospitation im Unternehmen: Mehr als nur Abwechslung
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Ausgabe 08_2025
Zurück aus dem Urlaub, frisch erholt und schon mal überlegt, was die Kolleg:innen eigentlich den ganzen Tag so machen? Dies kann nicht nur aus Neugier geschehen, sondern auch ein Entwicklungsschritt sein. Durch Jobrotation und Hospitation erfolgt neben Abwechslung auch Wissensaustausch, Zusammenarbeit und persönliche Entwicklung.
Was sind Jobrotationen und Hospitationen?
Jobrotation bedeutet, dass Mitarbeitende für einen definierten Zeitraum ihre Position oder Aufgabe wechseln. Dies geschieht oft innerhalb derselben Abteilung oder zwischen Bereichen.
Hospitation ist hingegen meist kürzer angelegt und erlaubt, in einen anderen Bereich „hineinzuschnuppern“, ohne die eigene Rolle aufzugeben. Es geht darum, Abläufe zu verstehen, Schnittstellen zu stärken und voneinander zu lernen. Dies kann durch das gezielte begleiten eines anderen Mitarbeitenden und „über die Schulter dieser Person schauen” passieren.
Das Ziel beider Formate ist der Perspektivwechsel, Skill-Aufbau und ein Abbau von Silodenken.
Warum ist das heute relevanter denn je?
Die Arbeitswelt ist von vielfältigen Faktoren und Wandel geprägt. Der Fachkräftemangel, die Schnelllebigkeit von Märkten und Technologien sowie neue Arbeitsformen, wie hybrides Arbeiten, stellen Unternehmen vor neue Herausforderungen. Umso wichtiger wird es, Mitarbeitende langfristig zu binden und ihnen Entwicklungsperspektiven zu eröffnen. Gleichzeitig erfordert die Zusammenarbeit über räumliche und fachliche Grenzen hinweg ein stärkeres gegenseitiges Verständnis.
Studien zeigen, dass interne Mobilität an dem Punkt ansetzt. Sie erhöht die Bindung an Unternehmen und steigert Motivation. Laut einer Gallup-Analyse 2023 sinkt das Risiko von Kündigungen um bis zu 41 %, wenn Mitarbeitende die Möglichkeit haben, sich intern zu entwickeln. Auch der Future of Jobs Report des WEF betont, dass in einer Arbeitswelt, in der Skills immer schneller veralten, Lernagilität und funktionsübergreifendes Verständnis zentrale Zukunftskompetenzen sind.
Jobrotation und Hospitation sind daher mehr als Abwechslung. Sie bringen neue Skills und Ideen ins Unternehmen. Wer in einer anderen Abteilung „mitläuft“, entdeckt Schnittstellen, Lücken oder Potenziale, die im eigenen Arbeitskontext unsichtbar bleiben würden. Gerade weil Innovation im Alltag oft auf der Strecke bleibt, fördern solche Formate Engagement, Kreativität und Zusammenarbeit.
Darüber hinaus zeigen aktuelle Studien, dass die positiven Effekte häufig indirekt wirken. Mitarbeitende, die durch Rotation oder Hospitation neue Erfahrungen sammeln, berichten von höherer Arbeitszufriedenheit und stärkerer Bindung an ihr Unternehmen und genau dieser Mehrwert schlägt sich letztlich in Leistung und Innovationskraft nieder.
Vorteile für Mitarbeitende
1. Neue Skills und breiteres Wissen
Diese Fähigkeiten reichen vom Fachlichen bis zu Soft Skills wie Kommunikation oder Konfliktlösung, wodurch auch eine Entwicklung und Interessenbekundung in der Organisation erfolgen kann.
2. Verständnis und Vernetzung
Die Sichtbarkeit im Unternehmen steigt, da mehr Austausch erfolgt und somit Rollen oder Projekte greifbarer werden.
3. Motivation
Abwechslung und neue Herausforderungen wirken gegen starre Routinen und fördern so das Engagement der Mitarbeitenden.
Vorteile für Unternehmen
1. Besseres Verständnis der Wertschöpfungskette
Mitarbeitende bekommen mehr Einblicke in die Arbeit des Unternehmens und können so sehen, wie ihr Beitrag ins große Ganze passt.
2. Wissenssicherung
Das Wissen verteilt sich auf mehrere Köpfe und Abhängigkeiten von Einzelpersonen werden reduziert.
3. Stärkung der Kultur
Vor allem Hospitationen fördern Empathie, Vertrauen und Zusammenarbeit über Teamgrenzen hinweg.
Tipps für Unternehmen
Es ist dennoch zu beachten, dass eine fehlende Planung und unklare Ziele die Entwicklung und den Mehrwert hemmen. Darüber hinaus müssen Abteilungen Kapazitäten freihalten, um Lernphasen zu ermöglichen. Auch die Kommunikation und Transparenz mit den Mitarbeitenden ist wesentlich, sodass diese wissen, wie lange und mit welchem Ziel der Wechsel stattfindet.
Daraus ergeben sich fünf Tipps für Unternehmen:
1. Mit kleinen Pilotprojekten starten
Dafür eignen sich z. B. 1-2 Tage Hospitation pro Monat in einer anderen Abteilung.
2. Lernziele festlegen
Orientiert am SMART Prinzip: spezifisch, messbar, attraktiv, realistisch und terminiert, die schriftlich dokumentiert werden.
3. Freiwilligkeit fördern
Zwang erzeugt Widerstand, aber eigene Motivation und Initiative von Mitarbeitenden fördert die Umsetzung solcher Maßnahmen.
4. Feedbackrunden oder Retrospektiven einplanen
Diese eignen sich, um direkt nach Abschluss Learnings festzuhalten und ggf. für das weitere Vorgehen Optimierungspotenziale abzuleiten.
5. Ergebnisse sichtbar machen
Die Wirksamkeit und Motivation wird erhöht, wenn aktiv Erfolgserlebnisse geteilt werden, wie z. B. über interne Meetings, Präsentationen oder Erfahrungsberichte.
Fazit: Ein Perspektivwechsel fördert Innovation und Entwicklung.
Jobrotation und Hospitation sind wie kleine „Arbeitstrips“ im eigenen Unternehmen, um neue Perspektiven zu sammeln. Wer gezielt über den eigenen Schreibtischrand schaut, kann sich nicht nur selbst entwickeln, sondern stärkt auch die Innovationskraft und Resilienz der Organisation.
Quellen:
Addai, P., & Boakye, D. (2022). The impact of job rotation on employee performance: The mediating role of job satisfaction and organizational commitment. SEISENSE Business Review, 2(2), 38–51.
Campion, M. A., Cheraskin, L., & Stevens, M. J. (1994). Career-related antecedents and outcomes of job rotation. Academy of Management Journal, 37(6), 1518–1542.
De Clercq, D., & Belausteguigoitia, I. (2017). Interpersonal conflict at work and job rotation: Mitigating roles of emotional intelligence and job autonomy. International Journal of Conflict Management, 28(2), 191–213.
Gallup (2023). State of the Global Workplace.
Kim, J., Lee, S., & Park, H. (2025). Job rotation as experiential learning: Applying Kolb’s theory to organizational development. Development and Learning in Organizations, 39(1), 12–18.
Richards, K. (2017). Job shadowing: Techniques to get maximum impact from the experience. CreateSpace Independent Publishing Platform.
World Economic Forum (2025). Future of Jobs Report 2025.
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